ONCA

Sonntag, 19 Juni 2022. Alle Sachen sind fertig gepackt. Endlich geht es los.Wir steigen in die S-Bahn und fahren Richtung Flughafen. Im Gepäck haben wir Dinge, die für Berlin mal so gar nicht typisch sind: Insektenspray und Moskitonetze. Unser Ziel: Bolivien. Amazonas-Becken. Tiefster Regenwald.

Mit Bolivien verbinden wir eine Tonne an Erinnerungen. Erstmalig sind wir am 13. März 2020 nach Bolivien eingereist. Damals sind wir mit dem Bus aus Chile gekommen und hatten großartige Reisepläne vor uns. Wir starteten am 15. März 2020 einen dreitägigen Trip durch den Salar de Uyuni, die größte Salzpfanne der Erde, gefolgt vom Evardo Avaroa Reserva Nacional, einem wunderschönen Teil des Altiplanos mit Bergen, Wüsten, Vicuñas, Flamingos und Viscachas. Doch schon bei der Einfahrt nach Uyuni fiel uns auf, dass sich etwas seit unserer Abfahrt verändert hatte. Fast alle Menschen trugen Masken und die sonst so trubeligen Straßen des Ortszentrums waren leer. Statt bunten Marktständen, an denen Lamapullis in allen Farben verkauft werden, patroullierte das bolivianische Militär die Straßen.

Ein kurzer Blick in die Nachrichten brachte uns auf den aktuellen Stand: In Bolivien wurden Maßnahmen für einen vollständien Lockdown ergriffen. Bevor wir im Hostel ankamen, um unser Gepäck zu holen, sprintete Lucas zum Busterminal und ergatterte uns noch zwei Tickets für eine der letzten Fahrten nach La Paz. Unser eigentliches Hauptziel in Bolivien, die Auffangstation für wilde Tiere ONCA, die aus ihren häuslichen Gefängissen befreit und dort wieder an die Wildnis herangeführt wurden, wollten wir auf jeden Fall noch erreichen.

Doch daraus wurde vorerst nichts… Stattdessen starteten wir Versuche um Versuche, um doch endlich – trotz des strengen Lockdowns – noch den Weg von der Hochebene in das Amazonasbecken zu schaffen. Trotz staatlicher Erlaubnis, Empfehlungsschreiben von der Botschaft und von Andrés (dem Gründer von ONCA) sollte es zu dieser Zeit nicht sein und wir traten schlussendlich wieder den Rückweg nach Deutschland an. Mit einer leichten Frustration, gleichzeitig aber auch immens vielen Erfahrungen von unserer fünfzehnmonatigen Weltreise im Gepäck. Und wir nahmen uns ganz fest vor, dass wir es einestages noch zu ONCA schaffen werden.

„Ihren Reisepass, bitte!“ Die Anweisung der Flugbegleiterin am Schalter reißen mich aus meinen Gedanken an den Abschluss unserer Weltreise. Wir haben recherchiert und wissen, dass wir mit einem negativen Testzertifikat auf jeden Fall nach Bolivien einreisen dürfen. Doch inwiefern das Land schon wieder für Touristen offen ist, das werden wir wohl erst vor Ort sehen. Unser Gepäck wird gleich bis La Paz durchgecheckt. Die Flüge sind unspektakulär und wir kommen etwas verschlafen um 2:50 Uhr am Flughafen von El Alto an. Beim Anflug können wir die beiden Städte schon von oben erkennen. Die schachbrettartigen Straßenzüge, die um die Uhrzeit nur schwach beleuchtet sind, gehören zu El Alto im Altiplano, während die verzweigten, verwobenen und geschwungenen Straßenzüge ganz klar zu La Paz gehören.

Als wir die Sicherheitskontrolle verlassen, sehen wir bereits ein bekanntes Gesicht: Fernando (der ehemalige Mitbesitzer des Hostels, in dem wir während dem Lockdown gelebt haben und der uns in jeglichen Situationen eine riesige Hilfe war) wartet auf uns und hat uns bereits einen Kollegen organisiert, der uns zum Hostel bringt. Greenhouse, never change a running system und so. Wir fahren durch die kurvigen Straßen der Stadt und werden von einem Wust von Erinnerungen überwältigt. Es fühlt sich fast ein bisschen an, als würden wir zuhause ankommen. Wir kennen die Straßen, wir wissen, wo es langgeht. Und natürlich kennen wir auch Sopocachi, das Viertel in dem das Greenhouse liegt. Dann fallen wir übermüdet ins Bett und holen ein wenig Schlaf nach. Am Morgen sehen wir in der Küche des Greenhouses, das an einigen Stellen noch Spuren von uns sind: An einem Korb klebt noch ein Kreppband mit ‚Lucas & Diana‘. Es wird Zeit dieses zu entfernen, wir wollen ja nicht das Greenhouse auf ewig wie Geister bespuken.

Während unseres letzten Aufenthaltes hatten wir zweimal versucht mit Fernandos Auto nach Rurrenabaque zu kommen, den Ort, in dessen Nähe ONCA ist. Diesmal gehen wir einfach zu einem Busterminal und lösen zwei Tickets für den Übernachtbus. Da gerade Trockenzeit herrscht, gibt es auch keine Warnungen für die abenteuerliche Straße, die wir nur allzu gut in unserer Erinnerung haben. Oder eher allzu intensiv – gut ist eine Bewertung, die wir so wahrscheinlich nicht treffen würden.

Der knallgrüne, klapprige Bus – besonders angetan hatte es uns die Zeichnung von Jesus auf der Rückseite.

Wir verbringen den Tag noch mit Fernando, gehen gemeinsam etwas Essen, schauen dem Teleferico noch etwas beim Fahren zu und brechen dann abends zum Bus auf. Die Fahrt ist gänzlich unspektakulär und der Busfahrer kommt sogar eine Stunde früher als prognostiziert an. So stehen wir pünktlich zum Sonnenaufgang am Busterminal von Rurrenabaque und spüren bereits das feucht-schwüle Klima des Amazonasbeckens. In der Nacht haben wir schlappe 4.436 Höhenmeter vom höchsten Punkt bis zum niedrigsten zurückgelegt. Unsere Lungen füllen sich ganz ohne Anstrengung mit der frischen – wenn auch intensiven – Luft des Regenwaldes.

In nur wenigen Minuten wandelte sich der Himmel von feuerrot…
zu gelblich.

Es ist früh und wir stehen etwas verschlafen am Busterminal. Uns steckt noch der lange Flug und die zwei kurzen Nächte in den Knochen. Irgendwie sind wir total ungläubig.

„Sind wir tatsächlich angekommen?“

„Ja, wir sind tatsächlich angekommen, da oben steht Rurrenabaque.“

„Das war ja einfach…“

Wir laufen durch das Terminal hindurch und treten auf der anderen Seite ins Freie. Sofort sprechen uns zwei Tuktuk-Fahrer an, aber wir winken ab und sagen, dass wir gerne in den Ort reinlaufen wollen. Ein bisschen Bewegung, damit wir erstmal darauf klarkommen, dass wir es tatsächlich geschafft haben und angekommen sind. Ganz einfach, quasi im Schlaf. Die Luft ist erfüllt von Vogelschreien und Insektengeräuschen, die wir nicht zuordnen können. Hin und wieder zerreist ein Motor diesen meditativen Geräuschhintergrund. Dann wieder Tiergeräusche.

Diana mit ihrem Rucksack auf dem Weg ins Zentrum von Rurrenabaque

Nach circa einer Stunde und einem phänomenalen Aufgang der Sonne, stehen wir im Zentrum von Rurrenabaque.

Über dem Fluss und dem Regenwald lichten sich noch die Wolken der Nacht.

Wir sind auch weiterhin etwas neben der Spur und immer noch ungläubig, dass wir jetzt wirklich in Rurre sind. Unsere Gedanken schweifen kurz ins Jahr 2020, als wir an der Brücke zwischen den Departementos La Paz und Bení standen und erbitterlich mit den Polizisten debattiert haben, dass sie uns durchlassen sollen. Und auch der Moment, als wir umgekehrt sind, läuft nochmal kurz vor unseren geistigen Augen ab… Wir verwerfen diese ganz schnell und entscheiden, dass diese uns in diesem Moment nicht mehr dienlich sind. Denn JETZT sind wir angekommen. Wir sind da. Und wir sind sowas von bereit, um mit den Tieren zu arbeiten. A propos: Wir wissen ja noch nicht mal, mit welchen der vielen Tiere wir arbeiten werden. Aber der Tag hat ja erst begonnen!

Kurz vor der Abfahrt mit dem Boot, entspannen wir uns noch im Schatten am Rio Alto Beni

Mit einem schmalen Holzboot (Peke Peke) fahren wir dann endlich den Fluss hinauf für circa 20 Minuten. Wir genießen die Blicke auf die umliegenden Hügel, die so üppig mit Pflanzen bewachsen sind. Die Geräuschkulisse ist jetzt schon überwältigend. Als wir in die Bucht bei ONCA einfahren, sonnen sich gerade drei Schildkröten auf einem Holzstamm im Wasser.

Wir springen vom Boot hinuter, reichen unsere Rucksäcke hinüber, winken dem Boot noch einmal hinterher und stehen auf einer Sandbank vor dem Regenwald. Vor uns türmen sich riesige Bäume wie eine grüne Wand auf und wir haben eigentlich keine Ahnung, wo wir hinmüssen. Also laufen wir einfach den kleinen Trampelpfad entlang, der sofort direkt in den Wald hineinführt. Wir haben zwar unsere Wanderschuhe an, doch schauen wir trotzdem ganz penibel auf jeden Schritt, weil wir auf keine Schlange oder etwas anderes treten wollen.

Dann raschelt es ganz laut und ein großer Schäferhund springt freudestrahlend auf uns zu und begrüßt uns mit lautem Kläffen. Kurz hinter dem Hund grinst uns Naza entgegen, ein Voluntär, der schon lange bei ONCA ist und ganz gemütlich barfuß und ohne T-Shirt durch den Wald läuft. Er spricht sogar richtig gut deutsch und zeigt uns, wo wir unsere Rucksäcke ablegen können und wo alles ist. Das Gelände von ONCA ist riesig und erstreckt sich quasi über zwei Ebenen. Unten in Flussnähe gibt es zwei kleinere und eine größere Hütte, einen Waschbereich, eine Tierklinik und ein Häuschen, in dem das Essen für die Tiere sicher aufbewahrt wird. Dann geht es über einen engen Pfad und eine unregelmäßige Betontreppe nach oben. Dort ist die Gemeinschaftsküche – ebenfalls affensicher – sowie das große Dormitory und von dort aus erreicht man auch die Bereiche der verschiedenen Tiere. Bei ONCA gibt es Klammeraffen (spider monkeys), Kapuzineräffchen sowie Totenkopfäffchen, zwei Jaguare, ein Ozelot und ein Oncilla. Alle Tieren haben ihren eigenen Bereich. Oben angekommen treffen wir auch gleich die anderen Voluntäre, die soeben von ihren Mittagsschichten zurückkehren und verkratzt und dreckig sind aber bis über die Ohren strahlen!

Wir dürfen auf der unteren Ebene eine schöne Hütte beziehen, bei der wir sogar unseren privaten Raum nur für uns haben. Über uns hat Naza sein Quartier. Die Hütte ist einigermaßen einfach gehalten. Wir sind sehr froh, dass über dem Bett ein intaktes Insektennetz hängt.

Unser Haus für die nächsten fünf Wochen

Die Hütte ist umringt von Kakao-Bäumen.

Auch bei Kakao gibt es riesige Unterschiede. Manche der Früchte sind gelb, diese hier waren lila.

Wir richten uns häuslich ein und genießen unsere Ankunft fernab der nächsten Siedlung. Es ist unfassbar ruhig, abgesehen von den vielen Geräuschen, die es im Urwald gibt. Die Abwesenheit von menschlichen Geräuschen wirkt sich sofort auf unsere Kreisläufe aus und wir können uns wunderbar entspannen. Eine andere Voluntärin, Martina, führt uns noch über das restliche Gelände und weist uns in die Arbeit mit den Tieren ein und bringt uns die generellen Verhaltensregeln bei. Dazu gehört bspw. dass gewisse Tiere nicht angefasst werden sollten, dass Frauen nicht alleine bei den Kapuzineraffen sein sollten und dass man generell mit Schlangen aufpassen soll. Nun erfahren wir auch, mit welchen Tieren wir erarbeiten werden.

Die nächsten Wochen haben wir das Vergnügen die Klammeraffen intensiv kennenzulernen. Und dieses Vergnügen startet eigentlich sofort, denn im Gemeinschaftsbereich hängen häufig ein paar der erkundungsfreudigen Klammeraffen rum. Die pechschwarzen Affen thronen dann wie drei ‚Fürste der Finsternis‘ auf den Dächern der Gemeinschaftsgebäude und beobachten, ob es etwas zu holen gibt. In der ersten Woche sollen wir noch keine Bilder von den Tieren machen, weil bei ONCA vermieden werden soll, dass die Voluntäre nur wegen den Bildern kommen und dann wieder abhauen. Aus diesem Grund bekommen wir auch nur die Tiere zu sehen, mit denen wir tatsächlich arbeiten. Ausflüge zu den anderen Bereichen sind daher ausgeschlossen.

Abends sind 1-2 Voluntäre eingetragen, um das Essen für alle zuzubereiten. Da ONCA über ein Versorgungsboot, ähnlich dem, mit dem wir am Mittag angekommen sind, 1-2 mal die Woche versorgt wird und es im Urwald nicht genügend Strom zur Kühlung gibt, ist das Essen tendenziell spartanisch. Reis, Kartoffeln und Linsen gehören zum Repertoire und das Ganze wird dann mit Karotten, Tomaten oder Zwiebeln getoppt. Jeder Voluntär darf sich dann überlegen, was er kochen kann, damit die anderen möglichst großartige kulinarische Highlights erleben dürfen. Das klappt mal besser und mal anders. An dem Abend helfen wir Matt, dem Tierarzt aus Wales, bei der Zubereitung des Essen, worüber er auch sehr dankbar ist.

Abends treffen wir dann ein Tier, dass wir fortan an jedem Abend beim Zähneputzen treffen werden. Eine Tarantula sitzt am Ende einer Bambusstange des alten (verlassenen) Gruppenbereichs im unteren Bereich des Geländes von ONCA und beobachtet uns beim Zähneputzen. Da wir kreativ sind, geben wir der Tarantel den Namen Terry. Obwohl wir uns nicht sicher sind, woran man eine männliche Tarantel erkennt.

Terry die Tarantel

Abends gehört es zum Programm, dass alle Voluntäre prüfen, für welche Arbeiten sie am nächsten Tag eingeteilt wurden. Dazu steht in der Küche das Daily Work Board.

Die Voluntäre werden liebevoll Saints (Heilige) genannt!

Die Arbeit bei ONCA sieht folgendermaßen aus. Jeder Voluntär ist 1-2 Tierarten zugeordnet. Bei uns sind das die Klammeraffen. Es gibt eine Vormittags-, eine Mittags- und eine Nachmittagsschicht. Außerdem ist ein Voluntär täglich dafür verantwortlich das Frühstück herzurichten, einer für das Mittagessen und zwei für das Abendessen. Manchmal bekommt man in einer Schicht auch generelle Aufgaben: Mit der Machete einen Weg freimachen, Bäume fällen, etc. Abends schauen dann alle auf das Board und sind schon mehr oder weniger gespannt, welche Aufgaben am nächsten Tag anstehen. Pro Woche hat jeder auch 1,5 Tage frei.

Abends gehen wir dann völlig erschöpft ins Bett. So viele neue Eindrücke und Dinge, die wir beachten sollen. Unsere Köpfe rauchen! Wir machen es uns in unserem Bett bequem, klemmen das Moskitonetz unter der Matratze ein und schlafen zum Geräusch von Milliarden von Insekten ein, die wir nicht zuordnen können. Ganz ruhig ist unser Schlaf trotzdem nicht, denn wir sind beide ganz schön aufgeregt, was uns am nächsten Tag erwartet – positive Aufregung!

Am nächsten Morgen ist es endlich so weit! Wir ziehen uns Gummistiefel an (die wir natürlich vorher gut ausgewaschen haben, denn es gibt kleine Insekten, die beißen und wir haben bei Martina gesehen, wie die Arme und Beine dann aussehen können) und weite, schlabbrige T-Shirts bzw. alte Hemden – die sind besonders praktisch, weil sie luftig sind und der Kragen hochgeschlagen werden kann. Dann holen wir das Essen für die Klammeraffen aus der unteren Küche hoch und laufen endlich in Richtung Klammeraffen-Gelände! Heute nimmt uns Vivi an die Hand, sie ist bereits seit knapp 2 Jahren bei ONCA und somit eine absolute Expertin. Sie erklärt uns die Abläufe: Es gibt drei Alphas bei den Klammeraffen: Matteo, Mika und Maria. Matteo ist der King, weil er der einzige Alpha-Mann ist. Ironischerweise ist er kleiner als Mika und Maria. Dann gibt es noch zwei weitere erwachsene Affendamen, Emmy und Houdini. Emmy ist frisch gewordene Mutter und hat als erste ein Klammeraffenbaby bei ONCA auf die Welt gebracht, ein sehr besonderer Moment. Houdini ist gerade schwanger und keiner weiß genau, wie lange es dauert, bis sie ihr Baby auf die Welt bringt. Dann gibt es noch eine Reihe von Jugendlichen: Apa, Boira, Socca, Suarez, Mao, Susu, Pepe, Anni, Lily und Gollum. Die Namen haben meistens ehemalige Voluntäre vergeben. Zum Abschluss gibt es noch die Babys: Danai, Kima, Zebra, Lisa, Negrito und Isra (die jüngste im Bunde). 21 Namen von 21 schwarzen Affen, die auf den ersten Blick (und bis auf die Größe) relativ identisch aussehen. Vivi erfreut uns mit der Nachricht, dass wir die ersten zwei Wochen damit verbringen sollen, die Namen auswendig zu lernen. Alright!

Die Alphas kann man leicht auseinanderhalten. Damit die Gruppe nämlich beisammenbleibt und lernt als Rudel zu leben, haben die Alphas Halsbänder mit langen Leinen. Über das Territorium der Klammeraffen sind sogenannte Runner (Seile) gespannt, damit sich das Rudel geschlossen bewegen kann. Wichtig ist jedoch, dass die Alphas zusammenbleiben und sich die Gruppe an ihnen orientiert. Daher kommen die Leinen. Unsere Aufgaben bestehen also im Groben darin, die Käfige sauber zu machen, das Essen anzurichten, die Babys zu versorgen (sie bekommen noch Milch, damit sie schneller wachsen und um deren fehlende Mütter zu kompensieren) und die Alphas entlang der Runner zu bewegen und darauf zu achten, dass alle anderen Affen möglichst ohne Hilfe nachziehen und sich an den Alphas orientieren. Die Fütterung ist wohl die anspruchvollste Aufgabe.

Damit die Affen auch über Nacht beisammenbleiben, schlafen die Babys in einem kleineren Käfig und die Alphas in einem größeren Käfig. Die Jugendlichen und anderen Erwachsenen haben die freie Wahl, ob sie im Käfig schlafen wollen oder ob sie im Wald nächtigen. Jeden Morgen angeln sich also drei Voluntäre die kurzen Seile, die an den Halsbändern von den Alphas hängen und befestigt durch das Gitter des Käfigs die langen Seile. Dann wird der große Käfig geöffnet. Das heißt, dass die Affen dann wie verrückt aus dem Käfig rausspringen, als ob sie noch nie in Freiheit gelebt hätten. Matteo hat dabei eine interessante Angewohnheit. Er liebt Männer! Als Lucas an unserem ersten Tag vor dem Käfig steht und das Seil von Matteo in der Hand hält, öffnet Vivi die Türe und die Affen springen raus. Matteo klettert natürlich ebenfalls raus, springt auf Lucas drauf und zieht ihm erstmal sein Gemächt voll durchs Gesicht, ehe er sich auf seinen Kopf setzt und von dort aus auf das Dach des Käfigs springt. Ein interessantes Begrüßungsritual.

Dann steht die eigentliche Fütterung an. Aufgeteilt auf zwei bis drei Voluntäre, widmet sich einer den Erwachsenen und zwei den Jugendlichen. Wichtig ist, dass Matteo als erstes eine Banane bekommt und dann erst alle anderen dran sind. Dabei muss der Eimer mit den Bananen so abgeschirmt werden, dass die anderen nicht rangehen und Matteo zuerst bekommt. Matteo darf allerdings auch nicht dem Eimer so nah kommen, dass er ihn an sich reißt, denn dann ist er verloren und die anderen gehen so ziemlich leer aus. Also, einmal in den Eimer reingreifen, eine Banane rausnehmen, den Eimer mit dem Körper von Matteo abschirmen und ihm die Banane schnell geben. Dann – sobald er sie genommen hat – schnell die anderen Affen bedienen. V.a. bei den Jugendlichen ist das ein Kampf, den sie klettern alle gleichzeitig und springen aus den nahen Bäumen auf uns drauf und versuchen den Eimer zu klauen. Wenn sie auf uns klettern, müssen wir sie tatsächlich an den Händen greifen und einfach etwas wegbefördern. Wichtig ist natürlich, dass alle eine gute Portion bekommen. Nachdem die erste Fütterung vorbei ist, werden die Babys im Käfig versorgt. Das geht dann gut, denn bei den anderen ist der erste Hunger gestillt. Danach bekommen die Babys Milch in der kleinen Küche auf dem Klammeraffengelände.

Die Alphas sind ja mittlerweile schon seit sie den Käfig verlassen haben an den Runnern befestigt und genießen ihre Bewegungsfreiheit. Die Leinen sind sehr lang und auch die Runners geben ihnen viel Bewegungsspielraum. Die anderen Affen kämpfen etwas miteinander, klettern rum oder faulenzen einfach. Währenddessen reinigen wir die Käfige von der Affenkacke und den Resten vom abendlichen Essen und bauen neue Äste ein, damit der Käfig sich möglichst natürlich anfühlt und die Affen auch darin klettern können. Die Käfigtüren werden dann verschlossen, denn die Affen sollen nur nachts darin sein. Und tagsüber eben in ihrem angestammten Territorium.

Das bedeutet auch, dass sie sich – soweit möglich – von den Menschen entwöhnen sollen. Denn die Affen bei ONCA wurden aus privaten Haushalten ‚befreit‘. Matteo hat beispielsweise im Hinterhof einer Familie in Rurre als Haustier gelebt und war an einem Pfahl festgebunden. Daher ist er auch so klein, denn durch die Einschränkung hat er sich nie wirklich viel bewegt und seine Muskulatur war konstant unterfordert.

Ebenso dramatisch ist das Schicksal von Lia, einer der kleinsten Affen. Ihre Mutter wurde geschossen, da das Klammeraffenfleisch als eine Delikatesse gilt. Lia wurde dann gefunden und Andrés übergeben, der sie bei ONCA aufgenommen hat. ONCA ist von einigen indigenen Dörfern umgeben und Andrés hat hart daran gearbeitet, dass ihn die Menschen akzeptieren und er ein gutes Verhältnis zu ihnen hat. Mittlerweile sind daraus richtig gute Kooperationen und echte Freundschaften entstanden. Das ist natürlich wichtig, wenn es um den Schutz der Tiere geht.

Um ca. 11 Uhr ist es Zeit für die nächste Fütterung und diesmal stehen Papayas auf dem Speiseplan. Wenn wir dachten, dass die Fütterung mit den Bananen und Platanen in der Früh verrückt war, dann hatten wir keine Ahnung was uns erwartet. Die Papayas sind natürlich glitschig und klebrig und wenn dann noch 15 Affen auf einen einstürmen, dann kann es schonmal passieren, dass einem der Eimer entgleitet und dann erstmal verloren ist. Denn die Affen lieben auch die Papayakerne, den sie haben anti-parasitäre Wirkstoffe, die gesundheitsförderlich für die Affen wirken (tatsächlich haben wir dann auch mal die Kerne probiert und sie haben einen pfeffrigen Geschmack, der echt gut ist). Wenn der Eimer am Boden liegt, dann darf man ihn auf GAR KEINEN FALL den Affen wegnehmen, es sei denn man kann schneller rennen als die Klammeraffen. Was sehr unwahrscheinlich in Gummistiefeln ist. Daher einfach liegen lassen.

Nachdem all das erledigt ist, haben wir mehr als eine Stunde Zeit, um mit den Affen entlang des Parcours zu gehen und ihnen einfach beim Leben zuzuschauen. Vor allem die Kletterkünste, Sprünge und die eleganten und gezielten Bewegungen in den Baumkronen ziehen uns sofort in den Bann. Die Moskitos, die sich in der Mittagszeit vermehrt an uns zu schaffen machen, holen uns dann immer wieder in die Realität zurück. Vermutlich hilft auch nicht, dass wir durch die Putzarbeiten nach Affenkacke und Schweiß riechen.

Und dennoch sind wir vollkommen in den Bann gezogen von den Klammeraffen. Anmutig schwingen sie durch die Bäume und hängen teilweise nur an ihren muskulösen Schwänzen in den Bäumen, die sie wie ein fünftes Glied einsetzen können. Einfach faszinierend!

Mittagspause! Die Mittagscrew löst uns ab und wir gehen gemütlich und überglücklich zur Gemeinschaftsküche zurück. Der erste Kontakt mit den Affen war großartig und wir können kaum erwarten am Nachmittag zurückzukehren und zu erleben, was dann so passiert. Nach ausgiebigem Hände und Arme waschen entspannen wir ein wenig in den Hängematten an der Gemeinschaftsküche und dösen vor uns hin.

Nachmittags ist weniger los und wir können den Affen fast die ganze Zeit beim Leben zuschauen. Es ist echt fantastisch so nah an diesen doch wilden Tieren zu sein. Sie dulden uns, obwohl sie uns auch einfach vertreiben könnten. Und dennoch kommen sie immer wieder in unsere Nähe. Dann heißt es für uns Aufstehen und den Kontakt möglichst schnell zu unterbrechen, denn sie sollen sich ja daran gewöhnen oben in den Bäumen zu leben, wie sie es von Natur aus machen würden – hätten sie eben nicht in menschlicher Gefangenschaft gelebt.

Vor dem Ende unserer Nachmittagsschicht richten wir dann das Abendessen her. Dabei muss einer von uns Voluntären von der kleinen Küche in den großen Käfig sprinten und dort drei Schalen mit Essen aufhängen (Gurken, rote Beete, Petersilie und Kraut). Dabei ist es wichtig, dass die Käfigtüre sofort hinter dem Voluntäre geschlossen wird, damit v.a. die Jugendlichen nicht reinspringen und schon alles wegfresssen. Am ersten Tag darf gleich Lucas diese Aufgabe übernehmen und er hängt die Schüsseln möglichst mittig im Käfig auf. Das ist auch gut so, denn die Affen probieren mit ihren langen Schwänzen, die Schüsseln zu sich zu ziehen und zu fressen. Lucas bleibt im Käfig, weil wenn er jetzt die Türe öffnen würde, würden mindestens fünf Affen reinklettern und das Essen wäre weg. Die anderen bringen solange die restlichen Affen zurück zum Käfig und dann wird die Türe geöffnet. Viele der Affen klettern nun rein, v.a. aber die Alphas, die die Nacht im Käfig verbringen sollen. Lucas bleibt drin und widmet sich nun der Aufgabe, die Alphas von den Leinen zu lösen. Die anderen ziehen die Leinen dann raus und als alle Alphas los sind, schlüpft Lucas schnell aus dem Käfig heraus und schließt die Türe sofort hinter sich, dass auch wirklich alle drei Alphas drin bleiben. Dabei müssen wir schnell sein, damit die Alphas drin bleiben. Vor allem Mika ist häufig in Nähe der Türe. Doch wir schaffen es – in der Regel – und können dann die restlichen Schalen auf dem Gelände mit Essen befüllen und die Babys versorgen.

Abendlicher Blick in die Baumkronen

Nach dem abendlichen Beisammensein und Kartoffelpuffern, die zwei andere Voluntäre aus Deutschland hervorragend zubereitet haben, schlafen wir mit einer Tonne an neuen Eindrücken ein. Im Hintergrund hören wir noch Milliarden Insekten, die alle Geräusche von sich geben. Das ist so viel angenehmer, als der Bus, der unterhalb unseres Wohnungsfensters in Steglitz langdonnert.

Die nächsten Tage variieren unsere Aufgaben leicht. Lucas bekommt einmal die Aufgabe das Mittagessen zuzubereiten und gemeinsam dürfen wir einmal einen Pfad mit Macheten freimachen. Ansonsten lernen wir bei den Klammeraffen fleißig alle 21 Namen und werden täglich besser darin, die Gesichter auseinanderzuhalten. Vivi bringt uns extrem viel bei und wir bestaunen die Affen, wie sie miteinander aber auch mit uns interagieren. Wenn wir auf dem Boden sitzen und die Affen in den Bäumen turnen, gesellen sich manche der Affen zu uns. Dann heißt es aufstehen und den Kontakt schnell wieder beenden. Manchmal klettern sie aber auch auf uns drauf und so schnell können wir gar nicht immer schauen. Dann nehmen wir uns ganz kurz Zeit um zu prüfen, dass sie keine Läuse oder Parasiten im Fell haben und setzen sie dann im nächsten Baum ab.

Das gestaltet sich vor allem mit den Babys manchmal herausfordernd. Da die Babys – außer Isra – ihre Mutter verloren haben, bekommen sie Milch, die wir für sie zubereiten. Wenn die weiblichen Voluntäre diese Aufgabe übernehmen, werden die Babys eingesammelt und dann in die Küche reingenommen. Dann trinken sie und werden dann wieder außerhalb der Küche bei den anderen abgesetzt. Doch die Babys von den Damen herunterzubekommen, ist eine schwierige Aufgabe. Sie krallen sich mit all ihrer Kraft fest und so kommt es eigentlich täglich dazu, dass wir zu zweit oder dritt versuchen die Babys aus den weiten T-Shirts oder Hemden loszulösen. Das ist meistens von ordentlich Affengeschrei der Babys begleitet, die sich wie an ihre leibliche Mutter hängen. Vor allem Danai ist dafür bekannt, dass er sich im Würgegriff am Hals der Mädels festhält. Das ist dann natürlich eine delikate Angelegenheit. Nachdem es einige Male sehr anstrengend ist und der Hals von Diana komplett zerkratzt und leicht blutig ist, entscheiden wir uns, dass die Männer diese Aufgabe übernehmen. Da klappt es deutlich einfacher. Es ist super interessant für uns zu beobachten, wie die Affen das Geschlecht auch beim Menschen unterscheiden und sich sofort daran anpassen.

In der Nähe von ONCA liegt eine kleine indigene Kommune – die Communidad Villa Alcira. Dort organisiert Vivi einen Abend für uns, an dem Teresa (eine Frau, die dort lebt und aufgewachsen ist) für uns kocht. Als wir bei ihr ankommen, genießen wir einen spektakulären Sonnenuntergang. Dann bereitet sie Fisch für uns zu, den sie (bzw. die Fischer der Communidad) aus dem Rio Bení geangelt hat. Frischer geht es also kaum. Darüber hinaus hat sie frischen Saft zubereitet und alle möglichen Beilagen. Wir laufen mit vollen Bäuchen glücklich wieder zurück. Dabei sehen wir sogar noch eine Schlange, die sich in einem etwas entfernten Baum gerade langsam bewegt – unsere erste Schlangensichtung in freier Wildbahn!

Sonnenuntergang im bolivianischen Regenwald
Festmahl bei Teresa

Trotz der tollen Eindrücke, ist der Regenwald auch herausfordernd für uns. Es ist schwül und drückend. Jede kleine Anstrengung ist sofort merkbar und wirkt sich auf den Körper aus. Wir sind abends vollkommen fix und alle und die Konzentration fällt uns gelegentlich schwer. Und dennoch brauchen wir unsere volle Aufmerksamkeit. Denn wir arbeiten mit wilden Tieren. Und in der vollen, ursprünglichen Natur. Bereits die versehentliche Berührung einer Raupe kann einen feurig-heiß juckenden Ausschlag auslösen. Diese spezielle Erfahrung wird Diana in ein paar Tagen machen. Dabei versteckten sich die Raupen bei einem kleinen Affen im Fell.

Unser erster freier Tag kommt immer näher. Daher arbeiten wir in der Vormittags- und Mittagsschicht, duschen uns und laufen zum Fluss vor. Dort warten wir in der Mittagssonne auf ein Boot, dass uns mit nach Rurre nimmt. Das dauert ein wenig und nicht jedes Boot fährt trotz unserer wunderschönen „Barcooooo“-Rufe zu uns hinüber. Doch dann sind wir froh, als endlich ein Boot zu uns rüberfährt und uns abholt.

Warten am Rio Bení. Rurrenabaque liegt ca. 20 Minuten entfernt, hinter dem rechten Hügel

In Rurre erledigen wir ein paar Einkäufe (Früchte, frische Erdnussbutter fürs Frühstück, etc.) und kehren gleich am Abend wieder zurück, da die benachbarte Communidad ihr 180-jähriges Bestehen feiert und alle ONCA-Voluntäre eingeladen sind. Um 8 Uhr abends (es ist natürlich schon stockfinster), starten wir dann mit unserer Gruppe zu einer 45minütigen Tour durch den Regenwald. Bei der Communidad gibt es viel Bier, eine Tanzfläche, einen Keyboard-Spieler und einen Sänger. Die beiden geben Cumbria-Lieder zum besten. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit ein paar Bier, können wir ein bisschen tanzen. Nach dem mitternächtlichen Feuerwerk geht es dann auf die 45minütige Wanderung zurück. Wir sind froh, dass wir am nächsten Tag frei haben, weil wir so ein bisschen ausschlafen können.

Auf dem Rückweg zu ONCA haben wir ein sehr schickes Peke Peke erwischt

An unserem freien Tag warten wir gerade mal 30 Sekunden auf ein Boot und fahren nochmal nach Rurre. Der Ort ist klein und kompakt und wir schlendern ein wenig überall entlang und genießen, dass wir heute sauber sind und keine Fliegen ständig um uns herum fliegen.

Typisches Straßenbild in Rurre – von überall sieht man die umgebenden Hügel des Regenwaldes. Auf den Straßen fahren viele Tuktuks.
Die Straßen sind gesäumt mit kleinen Läden, an denen wir uns ein paar gebrauchte Hemden für die Arbeit bei ONCA besorgen

In unserer zweiten Woche bei ONCA gibt es einige Veränderungen. Gleich zwei der erfahrenen Voluntäre, die mit den Klammeraffen gearbeitet hatten, verlassen ONCA und so sind wir das erste Mal nur zu dritt in unserer Schicht mit Shivan, einem Voluntär aus den USA. Wir kennen die Abläufe nun und genießen die Zeit mit den Klammeraffen weiterhin, die wie eine große Familie durch die Bäume springen. Wir haben mit Andrés abgesprochen, dass wir eine bildliche Dokumentation der Klammeraffen anfertigen, damit künftige Voluntäre es einfacher haben, die Namen der Affen zu lernen. Lucas nimmt also seine Kamera mit und verstaut sie erstmal in der kleinen Küche, da wir zuerst unsere üblichen Arbeiten ausführen. Als sich ein freies Fenster ergibt, holt er die Kamera raus, jedoch ist es deutlich herausfordernder als gedacht, ordentliche Bilder der Gesichter der Klammeraffen zu machen, da sie sich so schnell bewegen und es abwechselnd schattig und sonnig im Regenwald ist. Trotz intensiver Zusammenarbeit von allen Klammeraffen-Voluntären brauchen wir für dieses Unterfangen über zwei Wochen Zeit, inkl. zwei Fotografen, abendlichen Abgleichen und Nachrichten an Vivi, ob wir die Affen richtig identifiziert haben.

Matteo – das Alpha-Männchen

Da wir nun die Affen noch intensiver beobachten als sowieso schon, bemerken wir die unterschiedlichen Charakterzüge. Matteo ist an sich sehr ruhig und gleichzeitig sehr gesprächig. D.h. dass er leise mit uns spricht, wenn er in unserer Nähe ist. Dabei schaut er uns manchmal so direkt an – teilweise direkt in die Augen – als ob wir ihn doch verstehen müssten.

Houdini ist die Größte unter den Klammeraffen. Hier sieht man ihren schwangeren Bauch

Houdini hat ihren Namen bekommen, weil sie abends oft im Käfig war und am nächsten Morgen vor dem Käfig auf die Voluntäre gewartet hat. Die Türe war jedoch immer verschlossen und so gaben ihr die Voluntäre den Namen, basierend auf dem berühmten Zauberer. Gemeinsam mit Emmy turnt sie abends und morgens um die Gemeinschaftsküche herum und beobachtet uns auf Schritt und Tritt. Dabei ist natürlich immer ihr Baby Isra mit dabei.

Emmy mit Isra

Emmy ist eine absolute Risikoliebhaberin. Bei ONCA gibt es auch drei Hunde. Zwei Schäferhunde und einen Terrier. Die beiden Schäferhunde sind recht entspannter Natur, der Terrier (Rio) ist jedoch stark traumatisiert. Das liegt daran, dass sie in einem Sack in den Rio Bení geschmissen wurde. Der einzige Grund, dass sie noch lebt, ist, dass Andrés sie zufälligerweise am Ufer gefunden hat, bevor noch schlimmeres passieren konnte. Kein Wunder also, dass Rio absolut unberechenbar ist. Manchmal greift sie einfach Voluntäre an und ist daher die meiste Zeit an der Leine und vor allem die neueren Voluntäre (also auch wir) machen lieber einen größeren Bogen um sie.

Zurück zu Emmy: Wenn sie an unserer Gemeinschaftsküche rumturnt, dann kommt sie auch manchmal runter, v.a. wenn etwas zu Essen auf dem Tisch liegt und wenig los ist (also morgens beim Frühstück). Rio mag das nicht und fängt dann lauthals zum Kläffen an. Und Emmy, die Verrückte, kommt dann mit ihrem Baby runter und provoziert Rio und die anderen Hunde noch ein wenig und fängt fast an mit ihnen zu kämpfen. Spätestens dann geht einer von uns dazwischen und trägt Emmy ein gutes Stück weg in den Wald in Richtung Klammeraffen-Territorium. Zum Dank pinkelt sie uns dann häufig an.

Manchmal klappt es auch in friedlicher Ko-Existenz

Beim Füttern der Papayas ist Lucas dann einmal etwas ungeschickt. Als Maria den Kopf noch im Eimer hat, spricht er sie direkt an, da er den Eimer wegräumen will. Maria ist wenig amüsiert darüber, springt heraus und beißt ihn in den Ellenbogen, den er schützend vor sein Gesicht hält. Tja, wenn der Eimer liegt, dann liegt er halt und die Klammeraffen lieben nunmal die Papaya-Kerne. Dann hat er es halt noch einmal physisch gelernt.

Anfassen & Ansprechen verboten!

Die leichte Wunde ist nicht dramatisch und nach Desinfektion an der Gemeinschaftsküche geht es dann wieder zurück. Hier lernen wir nun die menschenähnlichen Qualitäten der Klammeraffen kennen: Später, als wir an den Käfigen sitzen und den Affen zuschauen, kommt Maria zu Lucas, kringelt sich auf seinem Schoß ein und reibt ihren Kopf an ihn, so als entschuldige sie sich. Da Lucas Herz definitiv nicht aus Stein gemacht ist, nimmt er die Entschuldigung natürlich an und die beiden sind wieder Freunde.

Maria, um ihren Hals die Leine, damit sie als Alpha bei der Gruppe bleibt

Vor allem bei Negrito sehen wir große Veränderungen. Der kleine Klammeraffe wurde von Matteo in den Schwanz gebissen vor einigen Wochen und hatte davon eine Verletzung. Klammeraffen haben Knochen und Muskeln in ihrem Schwanz, die es ihnen ermöglichen so meisterhaft zu klettern. Bei Negrito gab es eine Verletzung, die langsam verheilt. Umso schöner ist es für uns zu beobachten, dass er seinen Kletterschwanz mehr und mehr einsetzt.

Negrito beim Klettern – inkl. Einsatz seines immer besser werdenden Kletterschwanzes

Natürlich gibt es im Urwald noch viele andere Lebewesen mit denen wir täglich Bekanntschaft machen. Auf dem Weg zu den Klammeraffen laufen wir an einer Ameisenstraße von Blattschneiderameisen vorbei. Diese tragen Blätter mit sich rum, die sie zu einem Fungus im Untergrund bringen, damit dieser wachsen kann. Im Gegenzug versorgt dieser die Ameisen mit Nährstoffen – eine richtige Symbiose. Das funktioniert so lange gut, bis die Pflanze von denen die Ameisen die Blätter schneiden, ein giftiges Sekret ausschüttet, von welchem der Fungus schrumpft. Dann gehen die Ameisen an eine andere Pflanze. So bleibt alles im Gleichgewicht.

Eine Blattschneiderameise beim Tragen eines Blattes

Natürlich gibt es auch eine Vielzahl an Schmetterlingen. Der wohl schönste ist auf der Innenseite seiner Flügel ganz blau – und wirklich super schwierig auf einem Bild festzuhalten, da er sehr flink und beweglich ist und eigentlich nie still steht. Wenn er dann mal still steht, klappt er seine Flügel zusammen, um sich in der Umgebung quasi unsichtbar zu machen.

Ein zufälliger fotographischer Treffer!

Ein weiteres, eher fieses Insekt, dass auf dem Boden unterwegs ist, ist die Gewehrkugelameise oder auch 24-Stunden-Ameise genannt (englisch bullet ant). Sie hat den wohl schmerzhaftesten Biss unter allen Insekten. Dafür gibt es sogar eine Skala (Stich-Schmerzindex) von 1 bis 4+. Dabei steht die 24-Stunden-Ameise bei 4+. Vivi wurde in ihrer Zeit zweimal von dieser Ameise gestochen und hat uns berichtet, dass es sich anfühlt, als hätte ihr jemand mit einem Hammer auf den großen Zeh eingedroschen. Der Schmerz kann circa 24 Stunden anhalten, daher kommt der Name. Somit sind wir sehr froh, dass wir Gummistiefel anhaben. Die Ameise ist häufig dort, wo wir sitzen, wir bleiben jedoch verschont.

Auch wenn das Schneidewerkzeug fies aussieht, der Stich wird mit einem Stachel am Ende des Rumpfes gemacht

Schnell wieder zurück zu den schön anzusehenden Insekten:

Mal farbig, mal mit durchsichtigen Flügeln
Grüne Käfer mit interessantem Muster
Alienartige Raupen
Spinne am Wegesrand – diese hier ist an der Treppe hoch zum Gemeinschaftsbereich beheimatet und schaut dort immer raus, wenn wir vorbeilaufen
Die grünste Riesenheuschrecke, die wir je gesehen haben

Und vor allem bei Nacht hören die Entdeckungen nicht auf. Ganz im Gegenteil. Es braucht zwar offene Augen, dann aber sehen wir richtig viele Waldbewohner. Das hilft uns zwar nicht, die vielen Geräusche zuzuordnen, schön anzusehen sind sie aber alle:

Eine Stabheuschrecke
Einmal sehen wir sogar ein weißes Faultier im Baum

Manchmal muss man auch Nachts kein Adlerauge haben. Diese Spinne sitzt direkt über unserem Bett und ist in dieser Nacht unsere Mitbewohnerin. Wir sind sehr froh über unser intaktes Moskitonetz.

Geschätzt ist diese Spinne ca. 12-15 cm lang

Spinnen sehen wir vermutlich am meisten. Da es bei ONCA nachts stockfinster ist, nutzen wir unsere Stirnlampen um abends noch aufs Klo zu gehen. Wenn wir das Licht der Lampen dann auf den Boden richten, dann glitzert es überall. Wir denken zuerst, dass das vielleicht Feuchtigkeit ist, bis wir eines Tages realisieren, dass das tausende und abertausende von Spinnenaugen sind, die uns entgegenglotzen. In den folgenden Tagen verbringen wir dann unsere abendlichen Klo- und Waschgänge damit bei den größeren Leuchtpunkten zu prüfen, wie groß die Spinnen sind, die dazugehören. Wir finden zwar keine übergroßen Spinnen, fangen aber an, diese im Traum zu sehen und beschließen dann gemeinsam, mit dem Spinnenglotzen vor dem Schlafengehen aufzuhören.

Als wir eines Abends zurück zu unserer Hütte laufen, hört Naza uns und kommt uns freudig entgegen. „Habt ihr die Schlange gesehen?“ Wir verneinen und er zeigt belustigt auf den Baum unter dem wir stehen. Im Baum hängt eine Boa constrictor, die anscheinden gerade etwas gegessen hat, denn sie ist ganz dick an einer Stelle. Es ist noch eine kleine Schlange (also verhältnismäßig, mit ca. 2 Metern Länge).

Die Boa ist ganz gemächlich unterwegs – vermutlich noch etwas müde vom Essen

Am selben Abend geht Lucas mit einem anderen Voluntär noch an die Sandbank, da es eine klare Nacht ist. Dort kann man die Milchstraße hervorragend sehen. Da fast keine Siedlungen in der Nähe sind, ist der Himmel sehr klar und sehr dunkel!

Die Milchstraße über dem Regenwald
Später ziehen Wolken über dem Rio Bení auf

Jeden Tag sind wir etwas schneller mit den üblichen Abläufen in unseren Schichten (Putzen, Fütterung, etc.), sodass wir immer etwas mehr Zeit zum Beobachten der Klammeraffen haben. An manchen Tagen gibt es sogar Besucher. Die Kapuzineraffen bewegen sich in größeren Radien über das Gebiet von ONCA und schauen gelegentlich bei den Klammeraffen vorbei. Manchmal kämpfen sie ein bisschen miteinander und wir überlegen uns, welche Affen wohl einen ernsten Kampf gewinnen würden. Die Kapuzineräffchen sind zwar etwas intelligenter und können mit ihren Händen (da sie einen richtigen Daumen haben) sogar mithilfe von Werkzeugen (z.B. Steinen) Nüsse öffnen, während die Klammeraffen sehr lange Gliedmaßen haben und wohl mehr als doppelt so groß und massig sind. Wir haben es nicht rausgefunden und sind uns aber sicher, das ‚unsere‘ Klammeraffen die Kapuzineraffen einkassieren würden. Wir sind also Team Klammeraffe!

Einer der größeren Kapuzineraffen, mit denen die anderen Voluntäre arbeiten
An einem Tag kommt eine Kapuzinermutter mit ihrem Jungen im Huckepack vorbei
Die Kapuzineraffen können auch gut klettern, sind jedoch nicht ganz so flink und wendig in den Bäumen. Ihr Schwanz dient zum Gleichgewichthalten und kann nicht zum Klettern selbst eingesetzt werden, wie es bei den Klammeraffen der Fall ist

Es gibt sogar noch weitere Affen die vorbeischauen. Da das Gelände von ONCA nicht abgesperrt oder umzäunt ist, kommen auch manchmal Affen vorbei, die irgendwo im Wald leben. Dies ist der Fall, als uns ein paar kleine Totenkopfaffen besuchen.

Der Name Totenkopfaffe kommt von der Fellfärbung im Gesicht
Die Totenkopfaffen ähneln den Kapuzineraffen deutlich mehr als den Klammeraffen, denn sie gehören zur gleichen Artenfamilie

Und dann haben noch Affen vorbeigeschaut, die wie kleine Ewoks aussehen: Tamarine, die sich allerdings ganz oben in den Bäumen halten.

Mit den kleinen Ohren sehen sie fast aus wie ein Kuscheltier
Und sind flink in den Bäumen unterwegs

Unsere freien Tage verbringen wir meist in Rurre. Auf dem Hinweg ist es immer wieder eine Überraschung, mit wem oder was man im Boot landet. Die ersten Male waren nur Menschen im Boot, andere Male sind es dann auch mal Schweineorgane, die auf den Markt gebracht werden.

Dieses Mal waren es lediglich Mandarinen und Taschen
Der wundervolle Ausblick auf die Berge des Regenwaldes. Im linken, vorderen Teil des Bildes liegt das Gelände von ONCA

Rurre hat an sich nicht außerordentlich viel zu bieten, dennoch essen wir dort mal etwas anderes als bei ONCA und versorgen uns kulinarisch mit allem möglichen. Es gibt sogar ein französisches Café mit Croissants. Einige der Voluntäre nächtigen an ihren freien Tagen auch in Rurre, um mal in einem bequemeren Bett zu liegen. Auch wir tun dies ein einziges Mal, sind dabei allerdings etwas angestrengt von der lauten Hostelumgebung und feierenden Reisenden. Die Ruhe bzw. die nächtlichen Konzerte im Regenwald haben wir bereits nach kurzer Zeit lieb gewonnen, sodass wir abends immer wieder zu ONCA zurückfahren. Der Besuch in Rurre ist eine Gelegenheit ein Mal die Woche ins Internet zu gehen, denn bei ONCA ist wohltuenderweise kein Empfang. Warum das so ist, haben wir erst später erfahren.

In Rurre genießen wir vor allem den kleinen Markt mit vielen lokalen Produkten. Die Früchte kommen direkt aus dem Regenwald und das Gemüse wird ausschließlich um Rurre herum angebaut. Ein Mal in der Woche gibt es auch einen Straßenmarkt mit Zeug, wir haben zufälligerweise mit unserem freien Tag, genau diesen Tag erwischt.

Die Markthalle in Rurre
Frische Ware stapelt sich überall – nach einigen Besuchen kennen wir schon einige der Marktfrauen

Da es im Regenwald heiß ist und Lucas Matte schon wieder ganz schön lang geworden ist, wird es Zeit für den obligatorischen Friseur-Besuch. Dieser schneidet professionell mit einer haushaltsüblichen Schere.

Diana wartet derweil auf einem roten Plastikstuhl

Der Friseur quetscht Lucas auf Spanisch aus. Ein Glück haben wir unser Spanisch bereits das erste Mal in Südamerika richtig verbessert. Der Friseur freut sich richtig, dass es Touristen gibt, die Spanisch sprechen, da er meint, dass viele keinen Kontakt mit den Einheimischen haben, da sie die Sprache nicht beherrschen. Er fragt, wie es derzeit mit C in Deutschland abgeht und ob da auch so eine Panik gemacht wird. Ein bisschen lässt er sich darüber aus, dass ‚da oben‘ in La Paz, eine ganz andere Welt ist, als unten in Rurre und dass die ‚da oben‘ gar nicht wüssten, was in Rurre abgeht und was die Menschen beschäftigt. Damit meint er nicht nur die Regierung, sondern auch allgemein die Menschen in La Paz, die ja tatsächlich oben auf dem Altiplano sitzen und vom Leben im Tiefland nur wenig Ahnung haben. Wenige Bolivaner haben die Chance im eigenen Land zu reisen und wenige wissen anscheinend überhaupt, welche natürlichen Reichtümer das Land zu bieten hat – zumindest laut Aussagen des Frisörs. Ob er selbst schon einmal in La Paz war, hat Lucas vergessen zu fragen.

Und wieder zurück zu ONCA

Als wir auf dem Rückweg zu ONCA immer wieder am ‚Hafen‘ von Rurre ins Boot steigen, freuen wir uns schon richtig, uns wieder von dem ständigen Informationsfluss zu entfernen und einfach nur im Moment mit der Natur und den Tieren zu leben. Auf dem Rückweg beobachten wir die Ufer und manchmal können wir sogar ein paar Capybaras erspähen. Der Moment wenn wir dann bei ONCA ankommen, ist jedes Mal fantastisch. Manchmal verweilen wir noch ein wenig am Ufer, nachdem das Boot weggefahren ist und genießen einfach die Ruhe und den Blick über den Fluss oder die untergehende Sonne.

Der magische Ausblick vom Ufer

In den nächsten Tagen verändern sich die Klammeraffen und wir beobachten neue Verhaltensweisen. Die Jugendlichen werden immer frecher und aufmüpfiger. Außerdem werden die Hierarchien untereinander ausgekartet. Das heißt, dass es deutlich ruppiger unter den Jugendlichen zugeht, als in den Wochen zuvor. Einige Male müssen wir darauf achten, dass die Jugendlichen sich nicht über die Babys hermachen und diese dabei verletzt werden. Vor allem Susu und Mau ärgern Mika und ziehen an ihrer Leine. Wie auch bei uns Menschen lieben es die Jugendlichen anscheinend die Erwachsenen zu ärgern.

Mau – der unschuldigste Blick aber rotzfrech!

Natürlich kommen immer mal wieder neue Voluntäre, die auch bei den Klammeraffen eingeteilt werden. Da wir mittlerweile schon über drei Wochen da sind, dürfen wir die Neuen mit einlernen. Der Wandel bei ONCA ist allgegenwärtig und dazu gehört auch, dass es immer wieder neue Voluntäre gibt die kommen und bekannte Gesichter, die das Projekt wieder verlassen. Auch für uns rückt dieser Tag näher, aber wir fokussieren uns auf den Moment und denken noch nicht daran, dass dieser Tag immer näher kommt und lediglich knapp 2 Wochen entfernt ist. Viel zu stark haben wir die Affen schon in unser Herz geschlossen.

Eines Morgens kommen wir mit dem Frühstück für die Affen nach oben an das Klammeraffengelände. Lucas ist etwas vorgelaufen und kommt vor Diana an der Küche an. Auf dem Boden vor der Küche sitzt Houdini und hat Emmys Baby um den Hals. Lucas ist total verwirrt und fragt, warum Houdini Emmys Baby um den Hals hat, bis ihm Nastasia (eine andere Voluntärin) zuruft, dass das nicht Emmys Baby ist. In dem Moment setzt sich Emmy neben Houdini und Lucas (der bis hier auf einer ganz schön langen Leitung stand) checkt es endlich: Houdini hat ihr Baby geboren! Sofort rennt er zurück, rennt fast Diana und die anderen über den Haufen und gibt die Neuigkeiten an alle weiter, vor allem wer Andrés zuerst sieht, soll ihm unbedingt Bescheid sagen.

Houdini ist ebenfalls sehr glücklich, das merken wir sofort. Sie zeigt allen ihr Baby und kommuniziert vor allem mit Diana ständig sehr viel und zeigt ihr ihr Baby bei jeder Gelegenheit. Die einzige Komplikation ist, dass bei der Geburt die Plazenta nicht abgelöst wurde und durch die Nabelschnur trägt Houdini diese noch mit sich herum. Das sollte allerdings nicht sein, damit kein ungewollter Dreck in Houdini gelangt und sich nichts entzündet bei ihr. Dann kommt endlich der überglückliche Andrés dazu und strahlt über das ganze Gesicht und lässt auch seinen Freudentränen freien Lauf. Es ist so schön zu sehen, wie er für die Tiere brennt und alle Emotionen mit ihnen durchmacht und eine ganz tiefe Verbindung zu ihnen hat. Nach der ersten Freude versucht er, Houdini die Plazenta abzuschneiden, sie reagiert darauf jedoch sehr gereizt und Andrés gibt uns den Auftrag es tagsüber weiter zu versuchen. Wir scheitern damit jedoch und als einzige Option erscheint es nun – sollte die Plazenta bis zum folgenden Tag noch hängen – dass wir Houdini ‚überwältigen‘ und sie zwanghaft von der Plazenta trennen. Dazu benötigen wir dann alle mögliche Schutzkleidung, die wir bei ONCA finden können und hoffen indes, dass dies nicht nötig sein wird. Wir korrigeren sofort und während unseren Schichten, dass Houdini die Plazenta einfach selbst abbeist oder ihr die anderen Affen dabei helfen.

Als wir am nächsten Tag die Frühschicht haben, schauen wir als aller erstes nach Houdini und brauchen ein paar Minuten um sie zu finden. Was wir allerdings zuerst finden, ist die Plazenta die am Affenkäfig auf dem Boden liegt. Die Erleichterung ist riesig, als wir die frohe Kunde verbreiten, dass wir keinen Überfall auf Houdini machen müssen und sie nun vollkommen entspannt mit ihrem Baby durch die Bäume klettern kann.

Houdini mit ihrem Baby – Sie erhält den Namen Cora
Wie ein kleiner Alien sieht die Frischgeborene aus
Die Innenseite der Füße ist noch ganz pink. Obwohl sie noch ganz jung ist, krallt sie sich schon super fest in das Fell ihrer Mutter

Es ist ebenfalls interessant zu beobachten, wie sich vor allem die weiblichen Affen, um Houdini kümmern und das kleine Baby bestaunen. Die männlichen Affen interessieren sich nur punktuell für Cora und gehen ihrem gewohnten Alltag nach – insofern man das bei Affen überhaupt sagen kann.

Derweil kommen sich auch Negrito und Matteo immer näher, bis Negrito sogar den mutigen Versuch unternimmt mit Matteo zu kuscheln – und es sichtlich auch genießt.

Negrito verarbeitet den Schock immer besser und wagt sich immer näher zu Matteo

Die Klammeraffen interagieren von Tag zu Tag intensiver mit ihrer Umgebung. An einem Tag findet Matteo beim Schütteln eines Baumes heraus, dass dort Früchte herunterfallen, worauf fast alle Klammeraffen zum Baum stürmen, um sich die Früchte zu holen. Diese sind etwas fasrig und schmecken uns ganz okay, wenn sie auch etwas anstrengend mit unserem Gebiss zu essen sind. Für die Affen allerdings, scheint das leichter zu sein.

Matteo beim Verschlingen seiner Beute

Einer der Klammeraffen ist etwas abtrünnig von der Gruppe und braucht daher eine etwas andere Behandlung. Suárez wurde wie die anderen Affen von einer Familie in Rurre als Haustier gehalten. Dabei wurde ihm jedoch immer ein Sack über den Kopf gestülpt, damit er nicht wegrennt. Das hat bei ihm einige Trauma hinterlassen und er wehrt sich stark dagegen, wenn wir ihn rufen. Häufig haut er von der Gruppe ab und klettert bzw. rennt auf den Trampelpfaden zu den Kapuzineraffen rüber. Dies sind ihm allerdings in ihrer schieren Überzahl überlegen und er hätte somit im Kampf eine hohe Chance verletzt zu werden. Wenn wir es bemerken, dass Suárez nicht da ist, dann müssen wir zuerst bei den Kapuzinern schauen und dann versuchen ihn zurückzuholen. Andrés erklärt es uns an einem Abend mit den folgenden Worten: „Get him back with some bananas [of course without the other monkeys seeing it]. Give him some love and then tell him to fuck off“. Soll heißen, dass wir ihn belohnen sollen, wenn er mit uns zur Gruppe zurückkommt und ihn dann auch wieder klar von uns trennen und der Gruppe überlassen. Das klappt manchmal ganz gut.

Suárez ist auch dabei, wenn es dabei geht, uns im Gemeinschaftsbereich zu beobachten. Das löst regelmäßig ein bellendes Konzert der Hund aus

Als wir an einem weiteren Abend zu Teresa gehen wollen, da sie wieder Essen für uns zubereitet hat, bemerken wir kurz bevor wir das Gelände von ONCA verlassen, das Suárez uns hinterherklettert bzw. -rennt. Das soll nicht sein. Die angrenzenden Communidades hatten schon häufiger das Problem, dass v.a. Mika und Maria ausgebüchst sind und einen großen Teil der Platanen gegessen haben und die Küchen verwüstet haben. Wir wenden alle Tricks an, die uns Vivi und die anderen Voluntäre weitergegeben haben und schaffen es, mit einigen Notfall-Bananen und richtigen Sprints, dass Suárez uns nicht weiter verfolgt und auf dem ONCA-Gelände bleibt.

Für diese sportliche Einheit werden wir bei Teresa auch gleich mit einem großartigen Ausblick belohnt.

Teresa wohnt auf einer leichten Erhöhung, sodass wir den Blick weit schweifen lassen können
Inklusive schönen Licht- und Wolkenspielen
Und intensiven Sonnenuntergangsfarben auf der anderen Seite

Bei ONCA gibt es viele Voluntäre, die alle ihre besonderen Begabungen und Interessen haben. Ana aus Mexiko ist beispielsweise Yoga-Lehrerin. So entschließt sie sich, dass sie mit uns morgens nun eine einstündige Yoga-Session macht. Dazu treffen wir uns in der Früh auf der Sandbank, die ganz nah an unserer Hütte ist. Dann lassen wir uns eine knappe Stunde von ihr anleiten und genießen dabei, dass die Sonne langsam aufgeht.

Yoga-Session in der Früh mit einer kleinen Gruppe aufstehfreudiger Voluntäre
Und der anschließende Sonnenaufgang – so lässt es sich energetisiert in den Tag starten

Andrés erlaubt uns, die morgendliche Yoga-Session an sein Haus zu verlegen. Von dort aus haben wir ebenfalls einen großartigen Ausblick über den Regenwald und den Rio Bení.

Der Regenwald ist nicht nur ein undurchdringliches Dickicht aus Bäumen und Lianen – auch großartige Lichtungen und viel Wasser gehören dazu

Wieder zurück zu den Klammeraffen. Mittlerweile sind wir schon richtig routiniert und genießen, dass wir unsere volle Aufmerksamkeit auf die Affen und die ganze Gruppe richten können. Immer schneller sind wir damit, den Käfig in der Früh zu putzen und mit neuen Ästen auszustatten, das Essen zu verfüttern und vorzubereiten.

Blick aus dem Käfig heraus beim Aufhängen des Futters am Abend. Am Käfig hängen schon die ersten Klammeraffen und linsen auf das Essen

Im Urwald gibt es einige Pflanzen mit denen die Affen täglich Bekanntschaft machen. Dazu gehört eine Pflanze, von denen wir alle vermuten, dass die Affen davon ein leichtes High-Gefühl bekommen. Das erkennt man nicht nur daran, dass sie danach relativ entspannt sind, sondern auch daran, dass sie den gelben Blütenstaub der Pflanze überall im Fell hängen haben. Vor allem Emmy und Apa sind davon sehr angetan.

Apa mit dem gelben Blütenstaub im Fell

Dadurch das wir immer routinierter werden, passieren aber auch eben mal Ungeschicklichkeiten. Eine der neuen Voluntärinen ist beim Verschließen der Käfig am Ende der Schicht zu langsam und Mika schlüpft wieder aus dem Käfig raus – die Leine ist bereits los. Danach überschlagen sich die Ereignisse – das ist uns bisher noch nicht passiert. Lucas rennt zur Küche zurück und holt die Leine und die ‚Sicherheitsbananen‘, die wir noch übrig haben. Alle anderen sind auch überfordert und versuchen Mika nicht aus dem Auge zu verlieren. Wir schaffen es auch relativ schnell Mika wieder einzufangen (mit Ananas und Bananen), doch dann beginnt der Spaß erst so richtig.

Die normalerweise dreifach-verschlossene Käfigtüre wurde von irgendwem nur mit einem Schloss zugemacht und (wir schätzen) Maria schafft es das Schloss zu entriegeln und die Türe vollkommen zu öffnen. Als wir wieder am Käfig vorbeilaufen, wundern wir uns also nicht schlecht, als wir feststellen, dass auf einmal alle Affen wieder draußen sind und der Käfig leer ist … F***

Einer aus der Gruppe rennt zum Gemeinschaftsbereich und trommelt alle Klammeraffen-Voluntäre zusammen, die frei haben und wir rüsten uns mit Bananen und allem aus. Matteo ist am gemächlichsten unterwegs und Lucas kann ihn schnell zu sich runterrufen. Auch lässt er sich am entspanntesten wieder im Käfig absetzen (ein paar Bananen helfen). Maria haben wir aber aus den Augen verloren. So teilen wir uns auf. Lucas schaut bei den Kapuzinern vorbei und geht danach in Richtung der Communidad, da Maria dort bereits schon einmal gefunden wurde. Diana ist in Richtung Gemeinschaftsbereich unterwegs.

Als Lucas bei den ersten Hütten der Communidad ankommt, fragt er gleich nach, ob jemand einen der schwarzen Klammeraffen gesehen hat. Eine nette Frau fragt ihn gleich, ob Maria ausgebüchst sei. Er gibt zu, dass sie aus dem Käfig raus ist. Die Frau lacht und meint, dass das schon häufiger passiert ist und Maria ihnen schon einmal die ganze Küche verwüstet hat. Sie ist aber noch nicht in Sicht. Lucas sprintet also zum Gemeinschaftsbereich zurück und nachdem wir erst Suárez sehen, der sich wieder auf den Dächern der Küche rumtreibt, erblicken wir kurz darauf Maria, wie sie tatsächlich in den Bäumen auf dem Weg Richtung Communidad klettert. Wir rufen sie mit vereinten Stimmen und Diana schafft es dann (mit Bananen), sie wieder mit zum Klammeraffen-Territorium zu bringen. Die anderen Voluntäre, die in der Regel etwas früher mit ihren Schichten fertig sind als wir, genießen das Spektakel und vor allem, dass sie auch mal andere Klammeraffen als Houdini, Emmy und Suárez sehen, die sich ja gerne mal im Gemeinschaftsbereich rumtreiben. Nach circa 40 Minuten haben wir alle Alphas wieder sicher im Käfig untergebracht und diesmal auch alle drei Schlösser festgemacht. Das war eine gute Erinnerung, dass wir mit wilden Tieren arbeiten und diese natürlich auch einen eigenen Willen und Kopf haben. Und darüber hinaus auch sehr intelligent sind.

Mika – mit unschuldigem Blick

An unserem letzten freien Tag entscheiden wir uns, dass wir den Regenwald besser kennenlernen wollen. Wir haben also mit Teresa ausgemacht, dass sie uns ihre Umgebung zeigt und wir eine kleine Wanderung mit ihr machen. Als erstes bereit sie uns ein kräftiges Frühstück zu (Yucca mit Käse, frischer Orangensaft und Papaya). Danach starten wir die Wanderung durch den Regenwald. Teresa ist barfuß unterwegs, während wir ihr mit unseren Gummistiefeln hinterherhecheln. Sie bewegt sich mit so einer Leichtigkeit, wie es nur jemand kann, der sein Leben lang im Regenwald verbracht hat. Sie scherzt auch darüber, dass wir mit unseren europäischen Füßen, das noch nicht so einfach machen könnten, da unsere Sohlen so weich sind. Da hat sich sicherlich recht, wir probieren es daher nicht aus.

Teresa mit Lucas – in der Hand hat sie eine Yucca, die sie aus dem Feld gezogen hat

Sie erzählt uns viele Geschichten von den Pflanzen an denen wir vorbeilaufen und deren heilenden Wirkungen. Sie zeigt uns, wie aus den Palmenblättern die Dächer der Hütten gemacht werden und wie sie Papayas und Yuccas kultivieren.

Papayas am Baum – hier waren wohl Affen am Werk

Wir laufen entlang eines kleinen Flusses und machen ein paar wenige Höhenmeter nach oben gut. Der Blick nach oben geht direkt in die mächtigen Baumkronen der riesigen Bäume, die sich links und rechts von uns erheben.

Baumkronen von unten aus gesehen – sie erheben sich teilweise bis zu 60 Metern nach oben

Ab und zu sehen wir ein paar Bewohner des Waldes.

Hier versteckt sich ein kleiner Frosch

An anderer Stelle finden wir nur Spuren, die zeigen, dass es in direkter Umgebung einige Jaguare gibt.

Spuren eines Jaguars

Diese(n) treffen wir allerdings am Tag nicht, da Jaguare v.a. in der Dämmerung aktiv sind. Weiter kommen wir an riesigen Mahagoni-Bäumen vorbei, von denen es tatsächlich nur noch sehr selten ein wildes Exemplar gibt. Die meisten werden kultiviert angebaut und für den Export gefällt.

Mahagoni-Baum

Wir kommen auch an einem schönen Wasserfall vorbei, bei dem wir kurz schwimmen gehen und genießen die Erfrischung. Danach wandern wir die Strecke wieder zurück und kommen dann pünktlich zum Mittagessen wieder bei Teresas Haus an. Dort sehen wir auch einen ganz kleinen Bewohner des Dschungels.

Diese kleine witzige Spinne glotzt uns direkt an. Danach hat sich Lucas ganz schön erschrocken, weil die Spinne hochgesprungen ist und das durch das Objektiv der Kamera wie ein Angriff aussah

Teresa hat sogar Ananas-Pflanzen auf ihrem Grundstück. Diese werden erst stabilisiert, bis sie wie eine Eins nach oben wachsen können.

Noch ist die Ananas ganz klein

Bei Teresa lernen wir auch einiges über die politischen Spannungen zwischen La Paz und den indigenen Kommunen im Flachland von Bolivien. Eigentlich ist die zentrale Regierung dabei, das Gebiet für chinesische Bergbaukonzerne freizugeben, die Gold und Silber in der Region abbauen wollen. Das geschieht bereits in Teilen und hat zur Folge, dass der Rio Bení bereits ordentlich mit Quecksilber verseucht ist. Das wird nämlich zum Auswaschen der Edelmetalle benötigt und landet dann im Fluss. Da die indigenen Völker von den Fischen im Fluss leben, gab es hier auch schon einige Krankheiten und Menschen, die an der Vergiftung gestorben sind. Daher kämpfen die indigenen Kommunen dagegen, dass die Zentralregierung das Gebiet weiter zur Zerstörung für kurzfristige Profite freigibt. Dabei sind sie teilweise auch sehr erfolgreich und exzellent über ganz Bolivien mit anderen indigenen Kommunen (auch im Altiplano) vernetzt, da es dort ähnliche Schicksale gibt. Bspw. der Salar de Uyuni wird auch immer mehr zum Lithium-Abbau freigegeben, was ein ökologisches Desaster ist und droht einen einmaligen Ort auf dieser Erde für immer zu zerstören. Im Regenwald spielen sich ähnliche Geschichten ab und die indigenen Kommunen pochen darauf, dass deren Gebiete von ihnen selbst touristisch bewirtschaftet und erschlossen werden können. Damit sollen die natürlichen Schätze (Flora und Fauna des Regenwaldes) nachhaltig gesichert werden und dieses besondere Gebiet erhalten bleiben. Früher gab es sogar mal einen Mobilfunkmast, sodass Teresa auf ihrem Grundstück Mobilempfang hatte und sich mit den anderen Kommunen vernetzen konnte. Als Reaktion auf Proteste hat die Regierung in La Paz den Betreiber Entel jedoch gezwungen den Funkturm abzubauen, was die Kommunikation natürlich massiv erschwert hat und auf wenige Stunden in der Woche beschränkt. Die Bewohner der Communidad Villa Alcira kämpfen jedoch weiter, dass ihre besondere Heimat erhalten bleibt und eben nicht chinesischen Bergbauunternehmen zum Opfer fällt. Auch ONCA kooperiert mit den Kommunen und Spendengelder werden auch für Öffentlichkeitsarbeit genutzt und um in der Lokalpolitik gewisse Handlungsmöglichkeiten zu haben. Wir wünschen Teresa und all den anderen Communidades von Herzen so viel Erfolg bei ihren Bemühungen diese einzigartige Natur zu schützen!

In unserer letzten Woche bei ONCA steht noch ein richtiges Highlight an. Matteo wird mit einem GPS-Halsband ausgestattet, so dass er tagsüber keine Leine mehr braucht und sich frei bewegen kann. Andrés instruiert uns vorher, da es schon mal versucht wurde mit Mika. Nun ist Matteo dran. Dazu ist es notwendig, dass Lucas während seiner Schicht mit einem GPS-Empfänger ausgerüstet Matteo folgt und ihn zurückholt, falls notwendig. Der Empfänger macht Piepsgeräusche, je nachdem in welche Richtung er gehalten wird und wo sich Matteo gerade befindet und hilft somit beim Lokalisieren in den Bäumen. Das kann teilweise sehr herausfordernd sein, einen schwarzen Klammeraffen in den Baumkronen zu sehen. Über GPS ist Lucas dann mit Andrés verbunden und gibt ihm Updates, wie sich Matteo bewegt.

GPS-Empfänger

Als erstes geht es für Matteo in Richtung der Kaupziner-Gegend. Dort waren früher die Klammeraffen und es ist daher nachvollziehbar, dass es dort hingeht. Andrés hatte es uns bereits prophezeit. Also hängt Lucas einen großen Teil seiner Schicht bei den Kaupzinern ab und beobachtet Matteo beim rumklettern. Für ihn ist es auch interessant, die Kapuzineraffen aus der Nähe zu sehen, die doch vollkommen anders sind als die Klammeraffen. Laut den Geschichten zwar kleiner aber deutlicher aggressiver. Die Alphas der Kapuziner (zwei Stück) sind tatsächlich ganz wilde Kapuzineraffen, die das Rudel einfach gekapert haben und vermutlich den alten Alpha umgebracht haben. Es sind eben auch wilde Tiere und zwar solche, die trotz ihrer Größe nicht unterschätzt werden sollten. Vor allem für die Frauen unter den Voluntären kann das herausfordernd sein. Während die Männer einfach so alleine, zwischen den Kapuzinern durchlaufen können – zumindest dann, wenn sie mit den Alphas keinen Blickkontakt haben – ist das für die Frauen deutlich schwieriger und sie werden häufig von den Kapuzinern angegriffen. Wenn dann ein Mann dazukommt, hauen die Affen wieder ab und ziehen Leine.

Matteo setzt seine Erkundungstour noch ein wenig fort und sieht sich auch den unteren Bereich von ONCA an, wo unsere Hütte zu finden ist. Später bekommen wir ihn dann wieder zurück in den Klammeraffenbereich und machen ihn wieder an der Leine fest. Der erste Ausflug hat geklappt. Das ganze wiederholen wir in den folgenden Tagen und Matteo bleibt immer mehr bei der Gruppe.

Matteo mit dem gewichtigen GPS-Sender am Halsband

In den letzten Tagen genießen wir intensiv die Schönheit und Eleganz mit der sich ‚unsere‘ Klammeraffen durch die Bäume bewegen. Wir haben nochmal die Gelegenheit einige sehr schöne Bilder zur Erinnerung festzuhalten.

Houdinis Hand – der Daumen ist lediglich ein Ballen. Ansonsten haben die Affen genauso wie wir richtige Hand- und Fingerabdrücke sowie Fingernägel
Die beiden Jugendlichen Annie und Lili beim Springen in den Bäumen
Lucas beim Loslösen von Matteos Leine vom Führungsseil, Matteo beobachtet ganz genau was da vor sich geht
Diana als Babytaxi – beim Bewegen der Gruppe an einen anderen Ort nehmen wir die Babys mit, damit sie es auch wirklich schaffen und nicht zurückgelassen werden. Gegen Ende unserer Zeit bei ONCA rufen wir die Babys nur noch und sie klettern schon fast alles selber mit

Auch schaffen wir es gegen Ende unserer Zeit bei ONCA noch das Buch mit den Bildern der Klammeraffen fertigzustellen.

Der eingerollte Schwanz eines Klammeraffen – er hat innen am Ende des Schwanzes auch eine richtig ledrige Haut, die wie die Haut an den Händen einen individuellen Abdruck hat
Gollum an einem Ast
Emmy und ihr Baby Isra – über unsere Zeit bei ONCA hat sie ihre Augen richtig geöffnet und ist schon die ersten Male von ihrer Mama runtergeklettert
Boira – sie hatte einen Parasiten in der Nase, der ihr vom Tierarzt rausgeschnitten werden musste. Seither kratzt sie ihre Nase immer wieder auf. Sie ist eine sehr ruhige und liebevolle Seele
Die freche Mau auf dem Boden
In einem unachtsamen Moment hat Lucas seine Kamera auf dem Boden abgelegt. Diese wurde dann gleich von Houdini und Mika konfisziert

Dann ist er gekommen. Der Moment, den wir beide so gekonnt getilgt und ignoriert haben. Der Abschied von ONCA steht an. Und auch, wenn wir angepinkelt wurden und die Kacke von den Affen irgendwann mal überall hatten, gebissen und zerkratzt wurden, haben wir diese lieben Geschöpfe echt ins Herz geschlossen. Wir verabschieden uns bei allen Affen persönlich und haben das Gefühl, dass sie es verstehen, dass wieder ein Wechsel ansteht. Uns geht es echt unerwartet nahe und wir sind beide ganz nah an den Tränen. Als wir uns dann doch losgelöst haben und den Weg zur kleinen Küche zurücklaufen, klettert auf einmal Boira neben uns in den Ästen und streckt uns ihre Hand hin. Wir nehmen die Hand und sie drückt ein wenig zu. Dann brechen endgültig unsere Dämme und es fließen einige Abschiedstränen.

Gruppenbild der Klammeraffen-Voluntäre. Es haben sich sogar ein paar Klammeraffen ins Bild geschmuggelt
Die Gemeinschaftsküche

Auf dem Rückweg laufen wir an der Gemeinschaftsküche vorbei und dem wohl am schönsten gelegenen Klo auf dieser Welt:

Abends senkt sich die Sonne schön durch die Lichtungen der Bäume hindurch und sorgt für ein wundervoll warmes Licht

Dann machen wir uns bereit und laufen zum Rio Bení hinunter. Da wir dieses Mal wieder unser gesamtes Gepäck dabei haben, haben wir uns am Vortag bereits ein Peke Peke organisiert. Unser Fahrer holt uns ab und wir schweigen die ganze Fahrt. Es ist immer noch anstrengend nicht die Tränen laufen zu lassen, wir sind beide wirklich sehr traurig, dass wir ONCA bereits wieder verlassen. Wir sind uns dennoch sicher, dass wir zurückkehren werden. Die Zeit war viel zu besonders und wir haben uns selten so verbunden mit der Natur gefühlt, wie bei den Klammeraffen.

Die lichtdurchflutete Halle des Busterminals von Rurre

Und auf einmal stehen wir wieder am Busterminal von Rurre. So als ob wir gerade erst angekommen wären. Fünf Wochen sind vergangen und wir haben so viele wundervolle Dinge erlebt. Wir erinnern uns daran, wie verwirrt wir waren, als wir vor fünf Wochen das erste Mal nach Rurre reinliefen und es einfach geklappt hatte. Das erste Mal die Klammeraffen gesehen haben. Und so viel mit ihnen erlebt haben. Für die Affen waren wir nur eine kurze Erscheinung aber für uns, war es eine einzigartige Erfahrung.

Diesmal haben wir natürlich wieder einen heldenhaften Jesus auf unserem Bus – geschützt ist unsere Fahrt also mehr als genug

Gegen Abend steigen wir dann in den Bus, der uns wieder zurück nach La Paz bringen wird. Der Abend ist schwül und die Luft etwas drückend. Wir genießen noch einmal die vielen Vogelgeräusche um das Busterminal herum und dann fahren wir auch schon los. Wir sind erschöpft und uns fallen schnell die Augen zu.

La Paz – eine andere Welt

Bis wir in der Dämmerung aufwachen. Es ist arschkalt geworden und die Luft ist dünn. Lucas prüft, wo wir sind. 4700 HM, kurz vor dem Sattel, bevor es wieder nach La Paz runter geht. Zum Glück haben wir uns schon Pullis in den Rucksack gesteckt sowie Mützen und Handschuhe. Wir kommen dann auch schon bald an und die Fahrt ist wieder unspektakulär gewesen. Wir steigen nicht im Greenhouse ab, sondern in einem anderen Hostel. In La Paz haben wir noch zwei Tage, an denen wir die Stadt genießen können. Wir sind jedoch so erschöpft von dem Höhenunterschied. Und von der plötzlich wieder sehr hektischen Kulisse. Wir denken oft an die Ruhe bei ONCA zurück. Wir fragen uns, ob uns die Affen auch vermissen. Bestimmt.

In La Paz treffen wir uns noch mit zwei Voluntären aus Frankreich, die bereits ein paar Tage vor uns abgereist waren auf ein paar Drinks – natürlich stilsicher in einer deutschen Kneipe.

Reineke Fuchs

Nachdem 2020 das Land quasi abgeriegelt war, ist das touristische Leben nach Bolivien zurückgekehrt. Die Märkte sind wieder voll und alle Touri-Läden haben geöffnet. Optimal für uns, denn ein paar Lama-Pullis fehlen in unserem Rucksack noch. Natürlich fahren wir wieder mit unserem Lieblingstransportmittel durch die Stadt.

Die Jacken zeigen es schon – die heißen Temperaturen aus Rurre haben es nicht nach La Paz geschafft. Der Temperaturunterschied liegt tagsüber bei circa 25 Grad (35 auf 10 Grad)
Blick auf das Zentrum von La Paz

Eines hat sich seit 2020 auf jeden Fall nicht verändert. Die Abflugszeiten vom Flughafen in El Alto sind verdammt früh. Und so brechen wir wieder um 2 Uhr nachts zum Flughafen auf. Inklusive der wunderbar flackernden Stadtlichter. Wir denken immer noch viel an ‚unsere‘ Klammeraffen. Und das wird auch in den nächsten Wochen noch so weitergehen. Die Eindrücke dieser Reise werden uns mit Sicherheit noch sehr lange begleiten. Und das sagen wir, obwohl wir diesen Text erst circa 1,5 Jahre nach unserem Aufenthalt bei ONCA verfassen. So intensiv, so einmalig sind die Geschehnisse, die wir dort erleben durften. All die Tiere, die Geräusche, die Gerüche des Waldes und die vollkommene Abgeschnittenheit von all den Problemen der modernen Welt. Und genau das ist dieses Leben.


Die Organisation ONCA wird durch die Beiträge ihrer Voluntäre so finanziert, dass der laufende Betrieb einigermaßen gesichert ist. Darüber hinaus finanziert ONCA mit Spenden neue Projekte, besorgt die Nahrungsmittel für die Tiere und kauft medizinische Versorgungsmittel für Operationen und sonstiges ein. Vor allem durch die rezenten Waldbrände im Amazonasbecken ist die kleine Organisation von Andrés auf Spenden angewiesen.

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Wenn ihr also dieses großartige Projekt im bolivianischen Urwald unterstützen wollt, dann findet ihr alle notwendigen Informationen auf der Seite von ONCA (Anmerkung: Diese wird momentan überarbeitet, die alte Seite ist erreichbar). ONCA ist auch auf Patreon aktiv, sodass ihr für eure Spende sogar auch aktuelle Mitteilungen und Updates von der Station erhaltet. Es lohnt sich also sehr!

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